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In Teil 1 haben wir die Richtlinien in Bezug auf Auswahl- und Ausschlusskriterien der ESG- bzw. SRI-konformen Indizes, die von „nachhaltigen“ ETFs nachgebildet werden, analysiert. Hier zeigen wir nun beispielhaft die daraus resultierenden Beteiligungen an kontroversen Unternehmen in diesen Fonds.
Aus der Übersicht wird deutlich, dass einige als ESG-konform vermarktete ETFs nur sehr eingeschränkt als nachhaltig bezeichnet werden können. Auffallend ist, dass Rüstungsunternehmen und große Gas- und Ölkonzerne häufig Einzug in die Portfolios solcher ETFs finden:
Fonds | Index | Anzahl Titel / regionaler Fokus | Gesamthöhe kontroverser Beteiligungen | Kontroverse Beteiligungen Beispiele (ohne Bewertung) |
Deka Oekom Euro Nachhaltigkeit UCITS ETF | Solactive Eurozone Sustainability Index |
35 Europa |
12,21% |
Siemens, Philips (Klimawandel) |
iShares Dow Jones Global Sustainability Screened UCITS ETF | Dow Jones Sustainability World Enlarged Index ex Alcohol, Tobacco, Gambling, Armaments & Firearms and Adult Entertainment Index |
546 Weltweit |
16,64% |
Barrick Gold, Duke Energy, POSCO (Umweltzerstörung)
Eni SpA, OMV, Repsol, Shell, Total (Öl- und Gaskonzerne) Keppel Co (Korruption)
|
Xtrackers ESG MSCI Europe UCITS ETF 1C | MSCI Europe Low Carbon SRI Leaders Index |
181 Europa |
14,85% |
Equinor, Total (Öl- und Gaskonzerne)
Unilever (Plastikverschmutzung) |
Amundi MSCI Europe SRI UCITS ETF DR C | MSCI SRI 5% Capped Index |
124 Europa |
13,89% |
Equinor, OMV, Repsol, Total (Öl- und Gaskonzerne)
Unilever (Plastikverschmutzung) |
UBS ETF MSCI World Socially Resp UCITS (USD) Ad | MSCI SRI 5% Capped Index |
388 Weltweit |
17,02% |
ConocoPhillips, Equinor, OMV, Repsol, Total (Öl- und Gaskonzerne)
PepsiCo, McDonald‘s (Plastik) Keppel Co (Korruption) |
iShares MSCI Europe SRI UCITS ETF (Acc) | MSCI SRI Select Reduced Fossil Fuels Index |
117 Europa |
8,75% |
Siemens (Klimawandel)
Unilever (Plastik) |
iShares MSCI World SRI UCITS ETF EUR Acc | MSCI SRI Select Reduced Fossil Fuels Index |
385 Weltweit |
14,71% |
Phillips 66, Teck Resources (Klimawandel) |
iShares MSCI World ESG Screened UCITS ETF USD (Acc) | MSCI ESG Screened Index |
1.558 Weltweit |
18,03% |
Booz Allen Hamilton, L3 Harris Technologies, Raytheon (Rüstung) |
iShares MSCI World ESG Enhanced UCITS ETF USD (Dist) | MSCI ESG Enhanced Focus Index |
1.331 Weltweit |
16,24% |
Amazon (Arbeits- und Menschenrechte)
L3 Harris Technologies, Raytheon (Rüstung) |
Lyxor MSCI EMU ESG Trend Leaders (DR) UCITS ETF-Ac | MSCI Select ESG Rating and Trend Leaders Index |
138 Europa |
17,59% |
OMV, Repsol, Total (Öl- und Gaskonzerne)
RWE (Kohleverstromung) |
Lyxor MSCI World ESG Trend Leaders (DR) UCITS ETF | MSCI Select ESG Rating and Trend Leaders Index |
839 Weltweit |
13,85% |
DTE Energy, Xcel Energy, PPL Corp, (Kohleverstromung) Imperial Oil, Suncor Energy (Ölkonzern) |
Amundi Index Equity Global Low Carbon UCTS ETFD-EC | MSCI Climate Change Index |
1.289 Weltweit |
16,66% |
BAE Systems, Huntington Ingalls Industries, Leonardo (Rüstung)
Barrick Gold, Freeport-McMoRan (Umwelt und Menschenrechte) Repsol, Shell, Total (Öl- und Gaskonzerne) RWE, DTE Energy (Kohleverstromung) |
Lyxor MSCI World Climate Change (DR) UCITS ETF Acc | MSCI Climate Change Index |
1.553 Weltweit |
16,67% |
Siehe Beispiele Amundi Index Fonds
+ Textron (Rüstung) |
Insbesondere die Indizes MSCI ESG Enhanced Focus Index und MSCI ESG Screened Index enthalten kritische Beteiligungen aus der Rüstungsindustrie sowie Unternehmen, die von massiven Umweltzerstörungen profitieren. Natürlich ist dies auf die jeweiligen (schwach definierten) Kriterien zurückzuführen. So schließen beide lediglich Produzenten „Kontroverser und Atomarer Waffen“ sowie „Ziviler Schusswaffen“ aus, nicht aber Rüstungsunternehmen generell. Dadurch finden sich Rüstungsunternehmen wie Raytheon, dessen Waffen durch Exporte im Jemen-Krieg eingesetzt wurden, in den Portfolios.
Auch Glencore, ein Unternehmen, das gerade erst von Investitionen des Norwegischen Staatsfonds wegen neuer Schwellenwerte für Kohleunternehmen ausgeschlossen wurde, findet sich trotz eines ähnlichen Ausschlusskriteriums in den beiden Indizes wieder. Der Norwegische Staatsfonds schließt Unternehmen, die 30% oder mehr ihres Einkommens aus Kohle beziehen, oder 20 Tonnen jährlich abbauen, aus. Laut Methodologie der beiden ESG-Indizes sollte ein Ausschluss bereits ab 5% des Umsatzes aus dem Abbau von Kohle erfolgen. Allerdings definiert der Index Ausnahmen vom Ausschluss: „Einnahmen aus metallurgischer Kohle; Einnahmen aus Kohle, die für die interne Stromerzeugung abgebaut wird; Einnahmen aus dem innerbetrieblichen Verkauf von Kraftwerkskohle; und Einnahmen aus dem Handel mit Kohle.“ 2019 produzierte Glencore 139,5 Millionen Tonnen Kohle. Der Umsatz aus „Energieprodukten“, also inklusive Kohle, betrug 132 Mrd. USD von insgesamt 215 Mrd. USD Umsatz. (=61% des Umsatzes) (S. 191 des Jahresberichts). Allerdings entfiel ein Großteil der Einnahmen auf die Vermarktung der Kohle (120 Mrd. USD), und nur insgesamt circa 6% auf den Abbau von „Energieprodukten“, womit der Umsatz aus Kohle unter die 5% fällt. Da die Einnahmen aus dem Handel mit Kohle von den Indizes nicht als Ausschlusskriterium gelten, findet auf diese Weise ein Konzern, der 139,5 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr abbaut, Einzug in „ESG-konforme“ ETFs.
Auch der MSCI Climate Change Index führt Anleger*innen in die Irre. Die größten 10 Beteiligungen, die in Werbeprospekten dargestellt werden, sind überwiegend dem IT-Sektor zuzuordnen (Apple, Microsoft, Amazon, Intel, Facebook). Doch zeigt unsere Datenbank, dass sich auch Unternehmen im Portfolio befinden, die maßgeblich zum Klimawandel beitragen. Energieproduzenten wie RWE und DTE Energy, die mit dem Klimakiller Nr. 1 Kohle Energie gewinnen und die aufgrund ihres Beitrags zum Klimawandel vom Norwegischen Staatsfonds ausgeschlossen wurden, finden sich unter den Beteiligungen. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Index nur eine Neugewichtung der Beteiligungen mit einem „Klimarisiko“ vornimmt, nicht aber einen Ausschluss. Somit wird Anleger*Innen durch den Namen des Fonds eine Nachhaltigkeit impliziert, die nicht konsequent stattfindet. Aber auch Ausschlusskriterien werden beispielsweise im Falle des Lyxor MSCI World Climate Change (DR) UCITS ETF Acc nicht eingehalten. Eigentlich sollten Unternehmen, die an der Produktion kontroverser Waffen wie zum Beispiel Streubomben beteiligt sind, ausgeschlossen werden (als einziges Negativkriterium). Dennoch ist der Fonds an Textron beteiligt. Textron stellt die sensorgesteuerten CBU-97 und CBU-105 Raketen mit den BLU-108 Submunitionen her, welche nach dem Übereinkommen zu Streumunition von 2008 als Streumunition zu klassifizieren sind. Diese Waffen wurden laut Human Rights Watch 2015 in Jemen von der saudi-arabischen Koalition eingesetzt. Auch wenn das Unternehmen angab, ab 2017 Streumunition nicht mehr herstellen zu wollen, ist das Unternehmen nach wie vor aus diesem Grund von Investitionen des Norwegischen Staatsfonds ausgeschlossen. Verträge der US-Regierung zeigen, dass Textron noch bei der Lagerung von Streumunition unterstützt, was ebenfalls nach Übereinkommen zu Streumunition von 2008 verboten ist. Darüber hinaus unterstützt Textron mindestens bis Ende November 2018 die indische Luftwaffe bei der Integration von Streumunition in dessen Arsenal. Somit ist Textron zwar kein Produzent von Streumunition mehr, weshalb das Unternehmen Einzug in den ETF erhält, doch stellt sich die Frage, ob die ebenfalls ‚geächteten‘ unterstützenden Leistungen (z.B. Lagerung) nicht auch zu einem Ausschluss führen sollten.
Diese Beispiele zeigen, dass sich ein genauer Blick auf die Richtlinien (Teil 1) und auf die Beteiligungen, die aus den Richtlinien der Indizes resultieren, lohnt. Dass sich diese trotz der genannten Beteiligungen als „ESG-konform“ vermarkten, kann nur als Greenwashing bezeichnet werden. Ein erster Schritt in Richtung einer einheitlichen Definition, was im Bereich Umwelt als nachhaltig klassifiziert werden kann, ist mit der sogenannten EU-Taxonomie (=Klassifizierungssystem für (ökologisch) nachhaltige ökonomische Aktivitäten), die mittlerweile vom Europäischen Parlament angenommen wurde, unternommen. Somit kann zumindest in diesem Bereich mehr Klarheit für Investor*Innen geschaffen werden. Doch auch der Aspekt Soziales muss definiert werden. Sonst können weiterhin Investments in Rüstungskonzerne sogar mit kontroversen Waffen in Portfolios nachhaltiger Fonds auftauchen.